Käthe Leichter

DOEW_Foto-01297 kleinAm 20. August des Jahres 1895 wurde der assimilierten jüdischen Familie Pick ein Mädchen geboren: Marianne Katharina Pick. Am 17. März 1942 wurde der Häftling Katharina Sara Leichter, geb. Pick in der Psychiatrischen Anstalt Bernburg/Saale vergast.

 

Zwischen diesen beiden Ereignissen lag ein erfülltes Leben, geprägt vom Kampf um Gerechtigkeit, um die Gleichberechtigung der Frauen, um eine bessere Welt. Käthe Leichter ist für alle, die sie kannten, eine der interessantesten und begabtesten Frauen der österreichischen Arbeiterbewegung.

Käthe wuchs in der gemütlichen Athmosphäre des jüdischen Bildungsbürgertums am Rudolfsplatz im Ersten Wiener Gemeindebezirk auf. Sie und ihre ältere Schwester Vally bekamen keinerlei Beschränkungen auferlegt, was Lesen oder Musizieren betraf. Im Beamtentöchter-Lyzeum, das Käthe besuchte, fiel sie durch großes soziales Engagement für ärmere Mitschülerinnen auf.

Logisch erscheint es daher, daß Käthe sich schon bald der Jugendbewegung anschloss, der sie von 1912 bis 1914 angehörte. Sicher schätzte sie die Gemeinschaft, die Diskussionen und die Naturverbundenheit in diesen Gruppen.

Während des Krieges kümmerte sie sich in einem Hort um bedürftige Kinder, deren Väter eingerückt waren und deren Mütter in Kriegsbetrieben schwere Arbeit leisten mussten. So lernte Käthe auch die Schattenseiten des Lebens des Proletariats kennen.

1914 begann Käthe das Studium der Staatswissenschaft an der Universität Wien. Da Frauen zu diesem Studium nicht als reguläre Hörerinnen zugelassen waren und es daher auch nicht abschließen konnten, promovierte Käthe am 24. Juli 1918 mit Auszeichnung bei Max Weber in Heidelberg. Während des Studiums hatte sie die Lektüre des Buches „Die Frau und der Sozialismus“ von August Bebel sehr beeindruckt und sie in ihrem Kampf um die Gleichberechtigung der Frau bestärkt.

Nach der Ausrufung der Republik Deutschösterreich im November 1918 gehörte Käthe dem Kreis der „Neuen Linken“ an. Nunmehr arbeitete die frischgebackene Akademikerin in der Sozialisierungskommission und war mit den Problemen der verstaatlichten und der sozialisierten Industrie betraut. So arbeitete sie in enger Verbindung mit der Frauenabteilung der Gewerkschaften und mit dem Frauenkomitee der Sozialdemokratischen Partei.

In diese Zeit fiel auch ihre Eheschließung 1921 mit dem Journalisten Otto Leichter. Trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten kamen 1924 und 1930 die beiden Söhne Heinz und Franz zur Welt.

1924 erhielt Käthe Leichter den Auftrag, das Frauenreferat der Wiener Arbeiterkammer aufzubauen. Sie bemühte sich um eine erste zusammenhängende Darstellung der Frauenarbeit in Österreich und stellte im Mai 1930 das „Handbuch der Frauenarbeit“ fertig. Neben der Sammlung und Veröffentlichung von Faktenmaterial sah Käthe Leichter ihre Aufgabe darin, an der Ausgestaltung des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes mitzuwirken.

Käthes reiche und vielfältige publizistische und wissenschaftliche Arbeit, wie auch ihre Tätigkeit in der Sozialdemokratischen Partei – sie bewarb sich nie um Funktionen, stand aber als Referentin stets gerne zur Verfügung – fand am 12. Februar 1934 ein jähes Ende. Mit dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei verlor sie ihren Arbeitsplatz in der Arbeiterkammer und hielt in Österreich vergebens nach anderen beruflichen Möglichkeiten Ausschau. Neben ihrer illegalen politischen Arbeit für die Revolutionären Sozialisten verfasste sie soziologische und wirtschaftliche Arbeiten über die Arbeitsbedingungen der österreichischen Arbeiterinnen für das internationale Arbeitsamt in Genf. Zusammen mit Paul Lazarsfeld führte sie für das New Yorker (ehemals Frankfurter) Institute for Social Research eine Studie über „Autorität und Familie“ basierend auf Forschungen mit Schweizer Jugendlichen durch.

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs ans nationalsozialistische Deutsche Reich im März 1938 floh Käthes Mann Otto Leichter in die Schweiz. Käthe bemühte sich vergeblich um eine legale Ausreisemöglichkeit für sich und ihre beiden Söhne. Freunde ermöglichten schließlich den Söhnen die Ausreise zu ihrem Vater. Käthe Leichter fiel durch Verrat unmittelbar vor ihrer Flucht aus Österreich der Gestapo in die Hände. Ihre erste Einvernahme erfolgte in der gefürchteten Gestapo-Leitstelle am Morzinplatz am 30. Mai 1938.

Während ihrer nun folgenden Einzelhaft erfolgten zahlreiche Interventionen aus dem Ausland, um eine Freilassung Käthe Leichters zu erreichen. Vergebens. Im Jänner 1940 wurde sie ins KZ Ravensbrück verschickt. Sie lebte noch zwei Jahre in der Hölle, bis sie schließlich zusammen mit 1400 jüdischen Frauen in den Tod geschickt wurde. Bis zum bitteren Ende war Käthe ein Vorbild an Standhaftigkeit und Mut.

 

 

Rose Proszowski

 

 

 

Quelle: Käthe Leichter, Leben und Werk, hgg. von Herbert Steiner, Wien 1973

 

Foto: Dokumentationsarchiv de österreichischen Widerstandes DOEW_Foto-01297.